Hans Kuony Brunnen zu Stocken

Immerhin geht das Bemühen, die Stockacher Altstadt mit einem Narrenbrunnen zu schmücken, auf das Jahr 1872 zurück. Im Februar jenes Jahres wünschte sich die örtliche Narrenschar vom städtischen Rat „...die Errichtung einer Statue des Hans Kuony auf einem Stadtbrunnen". Die Verwaltung war schon damals klug genug, nichts gegen Wunsch nach einer Narrenfigur einzuwenden, „...wenn dieselbe im Ganzen ansprechend ausgeführt wird". Aber zahlen wollte die Stadt nicht, das sei Sache des Narrengerichts.

 

Dieser Standpunkt mutierte alsbald zu einer Tradition und ein neuer gusseiserner Brunnen auf dem Marktplatz wurde kurz darauf abseits allen närrischen Humors keineswegs mit einer Narrenfigur sondern mit einem hurrapatriotischen Adler versehen.

 

Die Narren versuchten 1897 nochmal ihr Glück, sie errichteten in der Hauptstraße an der Stelle, wo sich der „Mittlere Brunnen" befand, ein provisorisches „zwei Stockwerke hohes Postament", das einem riesigen Marmorquader nachgebildet war.

Darauf stand ein vergoldeter Kuony von Stocken. Auch dieser zarte Hinweis führte nicht zum gewünschten Ergebnis. Erst 1934 nahm der damalige Stockacher Postmeister Hans Wagner die Idee wieder auf und versuchte, den Überlinger Bildhauer Viktor Mezger zum Entwurf eines Narrenbrunnens zu bewegen.

 

Es gab zu dieser Zeit aber so viele Narren in Deutschland, dass man auf einen Kuony lieber verzichtete, zumal dessen Ratschlag von erheblich besserer Qualität gewesen war als das Kriegsgeheul der braunen Horden im tausendjährigen Reich. Im Übrigen: bis zu diesem Zeitpunkt war immer nur von einem „Narrenbrunnen" die Rede gewesen.


Dass es sich ausdrücklich um einen „Kuony-Brunnen" handeln solle, davon war erst ab 1935 die Rede. Von diesem Konzept rückte man dann freilich auch nie wieder ab.


1951, zur 600-Jahrfeier des Narrengerichts war es selbstverständlich nicht zu vermeiden, dass die Narren wieder auf das alte Thema zurückkamen. Dieses Mal aber gleich richtig, denn der neue Brunnen auf dem Marktplatz sollte einen steinernen Brunnentrog erhalten „mit Halbplastiken aus dem Stockacher Fasnachtsablauf", während die Brunnensäule mit einigen „Vollplastiken" zu schmücken sei und darüber thronend selbstverständlich der Stammvater aller Plastiken, Kuony von Stocken.

 

Der Stadtverwaltung war der Vorschlag jedoch nicht plastisch genug oder anders gesagt, zu teuer, und das Narrengericht soll seinerzeit auch noch am Hungertuch genagt haben. Es wurde also wieder einmal nichts mit einem Brunnen. Bis zur nächsten Thematisierung brauchte es erneut einige Jahre. Der Stockacher Landrat von Gleichenstein hätte es 1960 durchaus nett gefunden, wenn am alten Landratsamt (dem Haus „zum Weißen Kreuz) in Richtung Marktplatz eine „Halbbrunnenschale" an das Haus angefügt worden wäre. Es blieb beim netten Gedanken.

 

Den nächsten Schritt wagten die Narren im Jahr 1969. Der in die Jahre gekommene, gusseiserne Marktbrunnen erhielt einen riesigen Schwellkopf aus Pappmaché und nun kam Eigendynamik in die Diskussion. Dass aus dem Traum endlich Realität wurde, war aber weder der Stadt Stockach noch dem Narrengericht zu verdanken.

 

Der Mannheimer Bürgermeister Graf, bereits im Ruhestand befindlich, outete sich als erster großzügiger Spender für einem neugegründeten „Hans-Kuony-Brunnenfond". Das Narrengericht reagierte angemessen, Geld gab es (noch) nicht, aber einen Ausschuss mit Heiner Wagner, Ernst Kaufmann, Willi Kempter und Alfred Eble. Der Ausschuss war bitter nötig, denn selten zuvor wurde nun im Kollegium so hart und unerbittlich gestritten wie um den „richtigen" Standort des künftigen Brunnens.

 

Die „Marktplatz-Fraktion" siegte. Dann wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, den 1971 der Überlinger Bildhauer Werner Gürtner mit seiner Kuony-Figur gewann. Zwei Jahre später, im Januar 1973 wurde der Hans-Kuony-Brunnen auf dem Marktplatz eingeweiht. Stadt und Narrengericht hatten sich geeinigt, wer was zahlt, Werner Gürtner lieferte die Bronzefigur des Kuony, der warnend den Finger hebt und seinen weisen Rat erteilt. Schließlich hatte es ja schon in der „Cosmographia" des Sebastian Münster im Jahr 1544 geheißen: „Ein Narr redt vernünftige Wort". Genau diesen Satz setzte der Künstler Werner Gürtner in seiner Figur um, mit nachdrücklichen vier Zentnern Metallgewicht und einer Höhe von fast zwei Metern.

 

Im Stil der 70er Jahre wurde eine Betonwanne geschaffen, in deren Mitte der Narr auf einem quadratischen Sockel fortan stadtauswärts blickte.

Mit dieser Beschaulichkeit war es 2001 vorbei. Im Rahmen der Neugestaltung der Hauptstraße wanderte die Figur im Jahr 2001 vom Marktplatz in die Hauptstraße. Dort vor dem Bürgerhaus, wo alljährlich der Stammbaum aller Narren aufgerichtet wird, sitzt er nun auf einer Kugel aus Granit mitten im Brunnenwasser, hebt den Finger und lächelt verschmitzt über all die Närrinnen und Narren, die tagtäglich an ihm vorbeirennen. Er hat auch was zu lächeln, denn der erste Versuch, für diesen neuen Brunnen eine edle Granitschale zu formen, scheiterte.

 

Erst beim zweiten Versuch gelang das Werk.

 

An der Aktualität des weisen Rates von Kuony hat sich bekanntlich seit 1315 nichts geändert, so dass im Falle dieses Brunnens von einem zeitlosen Kunstwerk mit nachhaltiger Aussage gesprochen werden kann.

 

Thomas Warndorf

Archivar des Hohen Grobgünstigen Narrengerichts zu Stocken