Die Gerichtsverhandlung

Nachdem der Narrenbaum gegen 16.30 Uhr an seinem Stammplatz steht, zieht das Narrengericht in die Stockacher Jahnhalle ein, um dort Gericht zu halten. Diese Sitzung findet mittlerweile sehr großes Interesse und Zuspruch weit über die Grenzen Stockachs hinaus.

Nicht nur der bissigen Rede des Klägers und des engagierten Plädoyers des Fürsprechs wegen, sondern auch wegen der bunten Bühnendarbietung und der weiteren Protagonisten des Narrengerichts erfreut sich die traditionell närrische Gerichtsverhandlung gegen prominente Politgrößen großer Besucherzahlen. 

Und nicht nur im Stockacher "Gerichtssaal" wird die  Verhandlung vom Publikum verfolgt. Seit vielen Jahren ist das SWR-Fernsehen mit von der Partie und überträgt – zeitversetzt und zur besten Sendezeit – die knapp zweistündige Verhandlung.

 

Sendetermin in diesem Jahr

16.02.2023 | 20.15 Uhr | SWR-Fernsehen



Die Verhandlung gliedert sich eigentlich in vier Akte. Doch zuerst –  nachdem das Hohe Kollegium Einzug gehalten und Platz genommen hat – verliest der Erznarr Hans-Kuony höchstpersönlich den Hauptbrief, um allem Volke noch einmal zu erläutern, dass dieses Gericht und die nun folgende Verhandlung rechtens ist.



Nach dieser Formalität eröffnet der Narrenrichter die eigentliche Verhandlung. Es werden zunächste die Personalien des oder der Beklagten festgestellt und öffentlich verlesen. Dann ergeht das Wort auch schon an den Kläger.

Akt 1: Der Kläger vor Gericht trägt seine Klageschrift vor. Meist beinhaltet diese drei Anklagepunkte. Dabei werden sowohl politische als auch private Verfehlungen angeprangert. Es kommen Dinge ans Tageslicht, die bis dahin nicht bekannt waren – oftmals sogar dem oder der Beklagten selbst nicht.

Der oder die Beklagte – im Bild die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz Malu Dreyer – verfolgt an der Seite von Fürsprech und Narrenbüttel –und meist zu diesem Zeitpunkt noch recht optimistisch oder gar siegessicher – aufmerksam die Ausführungen des Klägers.



Auch im Publikum  beginnt es jetzt zu brodeln. Während die einen  dem Kläger beipflichtend applaudieren hört man auch stets "große Empörung" über die Vorwürfe aus dem Lager der "Sympathisanten". Aber alle - wie hier der Stockacher Laufnarr und baden-württemberische Innenminister Thomas Strobel – haben ihren Spaß.



Akt 2: Im Anschluß an den Kläger hält dann der Fürsprech vor Gericht – also quasi ein vom Hohen grobgünstigen Narrengericht gestellte Pflichtverteidiger – sein Plädoyer zu Gunsten des Beklagten.

Beide – Kläger und Fürsprech – schrecken beim Verfolgen ihrer Ziele nicht davor zurück auch noch so abstruse Beweismittel heranzuziehen – seien sie auch noch so privat oder politisch noch so geheim.

Ebenso werden manchmal mehr oder weniger glaubwürdige Zeitgenossen in den Zeugenstand gerufen. Ausser dem abgebildeten Guido Wolff haben auch schon Zeugen wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder Cem Özdemir ausgesagt.



Akt 3: Nun folgt der eigentliche Höhepunkt der Verhandlung: Die oder der Beklagte 

erhält das Wort und hat die Möglichkeit selbst etwas zu ihrer oder seiner Verteidigung zu sagen.

 

Man merkt schnell, dass die Herrschaften daran gewöhnt sind, sich aus einem Schlamassel herauszureden. Und der Narrenrichter bemerkt am Ende oft:

"Wahrlich , Ihr redet wie jemand, der es gelernt hat!"



Grundsätzlich aber ist die Verhandlung meist ein Beweis dafür, dass sich die Beklagten sehr wohl fühlen, wenn sie einmal ausserhalb des politischen Parketts agieren dürfen. Man sieht ihnen den Spass an der ganzen Sache an und sie holen sich – für einen Politiker nicht ganz unwichtig –  meist jede Menge Sympathiepunkte beim Publikum im Saal und zuhause am Fernseher ab. Und das unabhängig ihrer politischen Couleur …

Akt 4: Das Urteil - Nachdem sich das Kollegium zu einer kurzen Beratung zurückgezogen hat, verkündet und begründet der Narrenrichter schließlich das Urteil. Dies erfolgt zu allen genannten Klagepunkten. Im Falle eines Schuldspruchs wird eine Strafe fällig. Diese besteht meist in der Zahlung von etlichen Litern Wein an das Narrengericht. Bemessen wird diese in Eimern, einem alten österreichischen Maß. Ein Eimer entspricht 60 Litern. Es können aber auch gerne mal noch Sozialstunden oder ähnliches mit dazu kommen.

Der Beklagte nimmt dann das neutrale,  unabhängige und vor allem äußerst grobgünstige Urteil an. Ist er zudem männlich – dann wird er als versöhnliche Geste im Anschluß feierlich in die Schar der Stockacher Laufnarren aufgenommen.



Der Kandidat nimmt dann Aufstellung mit Blick zum Narrenschreiber. Er legt die rechte Hand auf sein linkes Herz, leistet den Laufnarrenschwur und "macht einen Vorsatz selbigen treu und fest zu halten".



Dann verbeugt er sich dreimal ehrfürchtig vor dem Bildnis Hans-Kuonys. Ein Schlag mit der Pritsche durch den Pritschenmeister besiegelt dann die Zeremonie.

Der frischgeschlagene Laufnarr erhält die Laufnarrenkappe und seine Urkunde und ist fortan ein ordentliches Mitglied in der Schar der Stockacher Laufnarren, …

… und dann geschehe, was recht ist.